Jiddische Lieder haben in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend Eingang in das Repertoire deutscher Laienchöre gefunden. Diese Musiktradition, die über Jahrhunderte hinweg in Mittel- und Osteuropa gepflegt wurde, verbindet emotionale Ausdruckskraft mit sprachlicher und historischer Tiefe. Gerade in Deutschland, wo die jiddische Kultur durch die Shoah fast ausgelöscht wurde, hat das Singen dieser Lieder eine besondere Bedeutung: Es ist ein Akt der Erinnerung, der Versöhnung und der kulturellen Wiederaneignung.
Darüber hinaus leisten jiddische Chorstücke einen Beitrag zur kulturellen Bildung. Indem Sängerinnen und Sänger sich mit Text und Kontext beschäftigen, erfahren sie mehr über die jüdische Lebenswelt, ihre Feste, Hoffnungen und Leiden. Für viele Chöre ist es wichtig, nicht nur die Töne zu erarbeiten, sondern auch die Inhalte zu verstehen. Auf diese Weise wird das gemeinsame Singen zu einer Form des Erinnerns und des Lernens, die weit über die musikalische Praxis hinausgeht.
So sind jiddische Lieder in den deutschen Laienchören mehr als nur eine musikalische Bereicherung. Sie sind Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen unterschiedlichen Kulturen und Generationen. Ihr Platz in den Chorrepertoires zeigt, dass Erinnerung und künstlerische Freude Hand in Hand gehen können – ein Zeichen lebendiger Musikkultur im heutigen Deutschland.
Für unseren Workshop haben wir die renommierte Chorleiterin und Komponistin Sylke Zimpel (Dresden) gewonnen, die eine Reihe jiddischer Lieder bearbeitet und im Verlag „edition choris mundi“ veröffentlicht hat. Sie wird mit den Teilnehmern des Chorleitungsseminars drei bis vier Stücke erarbeiten und an Beispielen die Besonderheiten und Schönheiten dieser Musikkultur erlebbar machen.
Sylke Zimpel, 1959 in Dresden geboren, ist Komponistin, Chorleiterin und eine prägende Figur der zeitgenössischen Chorszene. Nach einer Ausbildung am Konservatorium Cottbus studierte sie Komposition an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden. Es folgten Studien im Fach Chordirigieren in Weimar sowie ein Auslandsaufenthalt am Conservatoire National Supérieur in Lyon. 1986 gründete sie die chorbühne TRITONUS Dresden, ein Ensemble, das sich mit szenischer und experimenteller Chormusik profilierte. 1995 rief sie den Frauenchor „femmes vocales“ ins Leben, der sich besonders zeitgenössischer Literatur und Volksliedbearbeitungen widmet. Seit 2017 leitet sie zudem den Carl-Maria-von-Weber-Chor Dresden.
Als Komponistin schreibt Zimpel vor allem für Chöre, mit einem Schwerpunkt auf Literatur für Frauenstimmen. Häufig vertont sie moderne Lyrik – etwa von Rose Ausländer oder Friederike Mayröcker – und arrangiert Volkslieder aus verschiedenen europäischen Traditionen, darunter auch jiddische Lieder. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, unter anderem vom Sächsischen Musikrat, der Casa Baldi in Italien und internationalen Chorwettbewerben.
Mit ihrer Verbindung von künstlerischer Neugier, pädagogischem Engagement und Leidenschaft für das Chorwesen hat Sylke Zimpel die Dresdner und deutsche Chorszene nachhaltig geprägt.
Sächsischer Chorverband e.V.
Moritzstraße 20
09111 Chemnitz
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.